Editorial 3/2018: Zum Ende von Navigon

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Auch, wenn es nicht so aussieht: Cheffe ist sauer.

Diese Ausgabe von ALPENTOURER war schon fast fertig, da poppte eine Meldung in den Navigon-Apps auf. Das war‘s jetzt. Schluss, Aus, Ende – aus im Detail unbenannten „strategischen Gründen“. Ich konnte es nicht fassen, als überzeugter User von Europe und Cruiser wie auch als Motorradfahrer, dem die wohl besten Navigationsmöglichkeiten gekappt werden sollen. Spinnen die Amis jetzt völlig? Nun, spätestens seit Trump kennen wir die passende Antwort.

Manch einer wird sich fragen: Amis? Navigon ist doch ein deutsches Unternehmen. Ja, das war mal. Seit Jahren gehört es zu Garmin, blieb aber stets ziemlich eigenständig, weil man im weit entfernten Headquarter im beschaulichen Kansas den Fähigkeiten des kleinen Entwicklerteams in Würzburg wohl nicht traute. Nur so ist zu erklären, dass die tollen Algorithmen, mit denen die Navigon-Apps bei uns seit Jahren unangefochten als Referenz für jeden Wettbewerber – egal ob App oder Stand-alone-Gerät – gelten, nie Einzug in Garmins Navigationsgeräte hielten.

Anders bei uns: Was auf den Markt und in unsere Redaktion kam, musste sich stets mit Navigon messen. Bisher immer zum eigenen Nachteil.

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Warum denn noch ein separates Navi kaufen?

» atde1803 editorial garminSo sehen das wohl auch die auf ihre komplizierten, langsamen und in Sachen Europa-Routenführung oft auch unzuverlässigen Geräte ach so stolzen Amis und setzen konsequent Trumps Wahlversprechen um: America First!

Was sie dabei außer Acht lassen: Die Welt hat sich weiterentwickelt. Fast jeder läuft heute mit einem Smartphone herum. Und für uns Motorradfahrer gibt es längst einfache Montage­lösungen, stabile Bluetooth-Kopplungen zur Kommunikation sowie grandiose Anwendungen zur Motorrad-Navigation. Nicht zuletzt die Cruiser-App, die sich vom Verkaufsstart 2017 an rasant weiterent­wickelt hat. Warum sollte man sich da überhaupt noch ein separates Navi kaufen? Mir fallen dazu im Jahr des Herrn 2018 keine Argumente mehr ein.

Garmin verabschiedet sich damit von der Zukunft der Navigation. Aus gut unterrichteten Herstellerkreisen wissen wir, dass alle an der Verbindung von Motorrad und Smartphone arbeiten – es wäre ein Wunder, wenn sich da kein Partner für Navigon gefunden hätte. Darauf zu hoffen, dass es sich Garmin noch anders überlegt, macht wenig Sinn. Dafür müss­te man einen „strategischen Fehler“ eingestehen. Stattdessen werden von Berlin bis zum Silicon Valley jetzt die Sektkorken knallen. Denn ob Start-ups wie Calimoto oder ein Monopolist wie Google: Diese Chance werden sich die Wettbewerber nicht entgehen lassen. Dumm das, einfach dumm …

Doch genug der Dummheiten, genießt jetzt diesen ALPENTOURER. Wir haben nach der tollen letzten Ausgabe zu den Ostalpen nun reichlich Höhepunkte  aus dem westlichen Teil des Gebirges zusammengetragen, darunter zehn ganz feine Pässe über 2.000 Höhenmetern. Und nicht zu vergessen: Den ersten Fahrbericht zur Yamaha Tracer 900 GT gibt es ebenfalls – in eurem Motorrad-Tourenmagazin!

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11 Kommentare

  1. Tja, Ähnliche Gedanken hatte ich auch, zumal ich Navigon schon seit PDA-Zeiten (HP Ipaq) verwendet habe. Ich habe schon viele Kommentare des Tenors “sowas braucht man doch nicht, gibt genug kostenlose Navis wie Waze, Google etc.” gelesen und diese Entwicklung ist wohl auch der Grund für Garmins Entscheidung; da kommt einfach nicht mehr genug rein, das lohnt nicht mehr. Allerdings scheinen diese Kommentatoren sich nie im EU-Ausland – wo es aber offline Karten von Navigon gibt – aufzuhalten und auch nie in mobilfunkfreien Gebieten (während ich fast auf jeder Tour Bereiche habe, wo entweder gar kein oder jedenfalls kein für Datenübertragung nutzbares Netz vorhanden ist). Ja, es gibt auch offline-Karten z. B. bei Google, aber mit Suche nach Zielen ist es nix ohne Netz und Umfang und Komfort der Nutzung sind von Navigon Welten entfernt. Aber nützt nix, noch 2 Jahre gibt es Kartenupdates und auch danach werde ich sicher noch geraume Zeit auch mit dann halt nicht mehr ganz aktuellen Karten durch die Welt kommen…

    1. Sehen wir genauso – und weiterhin bestens mit Europe und Cruiser unterwegs sein. Parallel beobachten wir die Entwicklung von Calimoto, die uns als viel versprechendste Alternative aufgefallen ist.

  2. Das hochnäsige Verhalten von Garmin ist mit dem beschriebenen Navigon-Thema noch nicht zu Ende: Aus dem Naviboard-Forum ist zu erfahren, dass Garmin die Pflege des Routenplanungsprogramms Basecamp eingestellt hat. Vielleicht kann der Alpentourer mal recherchieren, wie Garmin-Besitzer dann überhaupt noch am PC Routen planen und aufs Navi (zümo etc.) übertragen können. Die zur Kartenübertragung auf den PC nötigen Browser-plugins werden schon seit Jahren nicht mehr gepflegt. Es sieht so aus, dass Garmin nur noch am Geräteverkauf interessiert ist und überhaupt nicht an uns Benutzern. Angesichts der hohen Gerätepreise finde ich das skandalös und eine breite Aufklärung der bestehenden und erst recht der möglicherweise zukünftigen Kunden halte ich für dringend geboten.

    1. Danke für diesen Hinweis. Da wir Basecamp gar nicht mehr nutzen (für Mac schon seit 2016 kein Update mehr und auf aktuellem OSX nicht mehr ans Laufen zu bekommen), hatten wir das bisher nicht auf dem Schirm. Wir werden uns des Themas annehmen und versuchen in Erfahrung zu bringen, was Garmin mit Basecamp vorhat oder ob es absehbar einen Ersatz geben wird.

  3. Vermutlich ist der Markt für Spezial-Navis, nix anderes sind wir Motorradfahrer ja letztlich, einfach zu klein. Die Preise von Garmin, TomTom und Co. sind ja auch deshalb so hoch, weil es nur geringe Stückzahlen sind. Und die Entwicklung der Smartfones als wachsende Konkurrenz ist auch kein Geheimnis.
    Vermutlich hat man am Ende einfach zuwenig Geld mit dem Segment verdient, Garmin scheint sich in letzter Zeit je mehr dem Markt der “Wearables” und den Fitness-Gadget zuzuwenden, vermutlich geht mehr.
    Ich bin Garmin-Anwender seit gefühlt 20 Jahren, und nutze immer noch mein aktuelles Zumo390. habe mich auch irgendwann von Mapsource zu Basecamp umorientiert.
    Wenn mein Navi den geist aufgeben würde, käme ich echt ins Grübeln, denn mit Calimoto, kurviger etc. sind attraktive Alternativen heran gewachsen. Und seitdem die OSM-Karten so gut geworden sind, hat Garmin auch hier nix mehr zu verdienen.

    Ich finde die Entscheidung überhaupt nicht gut, vermute aber, dass sie strategische Hintergründe hat. Und mit Trump hat das sicher nichts zu tun.
    Es mag zwar momentan “en vogue” sein, alles und jedes aus den USA mit Trump-bashing zu beantworten, ist aber langsam peinlich. (Vermutlich hat der Autor keinerlei Kontakte zu amerikanischen Unternehmern?) 😉

    1. Lieber Thomas, in vielen Dingen hast Du nicht ganz unrecht. Widersprechen möchte ich nur Deiner letzten Annahme. Ich habe zehn Jahre intensiv geschäftlich mit den USA zu tun gehabt und schon zu der Zeit meine ganz eigenen Erfahrungen mit kurzsichtigen “strategischen” Entscheidungen gemacht. Und noch heute haben wir Kontakte zu Unternehmern in den USA, schließlich importieren wir ja z.B. die Moto-Skiveez direkt von dort. Und was diese Unternehmer über ihren Präsidenten derzeit so äußern, wäre absolut nicht druckreif gewesen.
      Trump muss sich schon an seinen Äußerungen messen lassen. Seine “America First”-Politik spielt solchen Unternehmern in die Karten, die bei Unternehmenskrisen lieber die Schuld bei anderen (hier bei der zugekauften Tochter Navigon) suchen und entsprechend handeln. Da fehlt jegliche unternehmerische Weitsicht wohin sich ein Markt entwickelt.
      In den kommenden Jahren werden so ziemlich alle neuen Motorräder mit Displays ausgerüstet sein, die sich mit Smartphones koppeln lassen. Da ist ein Festhalten an schon heute veralteten Stand-alone-Geräten und gegen Apps, die sogar von den Motorradherstellern übernommen werden könnten, kaum die richtige Entscheidung. Aber kurzfristig schönt es das Ergebnis und beruhigt Rating-Agenturen sowie Investoren. Problem nicht gebannt, nur verschoben.

      1. Wollte Dir da nicht zu nahe treten, war etwas zugespitzt formuliert. 🙂

        Nur Managementfehler, so es denn welche “aus unserer Sicht” sind, machen die Amis auch ohne Trump. Und dass die Industrie über das Chaos ihres Präsidenten nicht erbaut sind glaube ich gerne. Die Garmin-Entscheidung hat aus meiner Sicht aber nichts mit Trump zu tun, vermutlich wäre die genauso gekommen unter Clinton oder wem auch immer.
        …und nur darum ging es mir mit meiner Anmerkung.

        btw. Habt ihr schon mal einen Vergleichstest der aktuellen Navi-apps im Alpentourer gemacht? Wäre ja aktueller denn je…;-)

        1. Passt schon, ich wollte nur erklären, wie es bei uns ist.Den Verbleichtest haben wir aktuell in der Mache. Aber wir lassen uns ja Zeit mit so was und testen über eine Saison. Schönes Wochenende!

  4. Danke cheffe für den profunden Beitrag – der zum Glück etwas mehr Hintergrund und Analyse bringt als das Gros der sonstigen Medien-Verlautbarungen dazu. Hier kennt sich jemand aus und traut sich, seine eigene Meinung zu publizieren. Chapeau! Ich selbst nutze Navigon seit fast zehn Jahren im Auto und Cruiser seit einem Jahr am Moped. Es gibt wirklich nix besseres – allen Unkenrufen und Nickelig-Meckereien zum Trotz. Bis heute konnte ich nie verstehen, dass so viele Biker die Extra-Geräte vorne am Lenker bevorzugen – und das Handy dann in der Jacke verstauen. Gerade die Kombination aus Navi (mit guter Navi-App), Handy und Musik-Quelle, dann noch in Verbindung mit einem BT-Sprechset am Helm, ist doch die eleganteste Lösung überhaupt. Ein Gerät, ein Halter, eine Stromquelle, eine Verbindung zum Helm und gut ist – zumal die Tendenz zu größeren Handy-Displays hier auch jeder Navi-App zugute kommt. Aus meiner Sicht ist und war Navigon hier State-of-the-Art (ich fahre ca. 50.000 Km Auto und 10.000 Km Moped, kreuz und quer durch Europa). Habe ebenfalls Calimoto (zu einseitig auf Kurven-Kratzer orientiert) und Kurviger.de an Bord. Aber an Cruiser kommt keine dieser Moped-Alternativen heran – von Gratis-Apps ganz zu schweigen. Als Apple damals die Entwicklung des Newton einstellte, gingen alle Entwickler zu Compaq, später HP und haben dort den HP iPaq 2210 entwickelt – damals State of the Art der sog. PDAs. Vielleicht haben wir Navi-App-User ja Glück und einige gute Navigon-Funktionen tauchen irgendwann in einer anderen App wieder auf. Jetzt geht es vor allem darum, eine gute Backup-Sicherung für alle aktuellen Navigon-Apps und Kartendaten zu machen, damit man auch nach Ablauf der Zweijahresfirst noch lange damit fahren kann – denn soooo schnell werden sich nicht alle Straßen ändern… Wirklich schade, diese – wirklich typisch amerikanisch kurzsichtige – Entscheidung…. Aber vielleicht bestand ja schon damals bei der Übernahme von Navigon bei Garmin die Absicht im Raum, nach Ablauf einer Schonfrist den – deutlich flexibleren – Konkurrenten schlußendlich abzuschalten.

    1. Ja, Stefan, ich habe mir tatsächlich die Mühe gemacht, mal zu recherchieren, was der Auslöser gewesen sein könnte. Dabei bin ich auf das katastrophale Rating gestoßen, das Garmin im Januar erhalten hat. Und prompt dieser Schnellschuss. Die Übernahme seinerzeit war wohl eher gedacht, einen Konkurrenten bei der Hardware einzusacken. Das ist dann ja auch schnell mit der Einstellung der Navigo-Geräte geschehen. Aber die jetzige Entscheidung ist eben einfach auch wirtschaftlich vollkommen am Markt, am Trend und an der Zukunft der Navigation vorbei. Bei mir werden auch beide Apps im Einsatz bleiben. Aber wir haben schon eine Auge auf die Entwicklung anderer Alternativen. Im Moment sehen wir Calimoto gut aufgestellt. Das könnte was werden. Wir werden berichten.

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