Editorial 4/2020 – Nicht für Einsamkeit gemacht

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Der Mensch scheint einfach nicht für Einsamkeit gemacht. Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer konstatierte: „Was die Menschen gesellig macht, ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit und in dieser sich selbst zu ertragen.“ Das machen diese Tagen und Wochen der Coronakrise vielen von uns überdeutlich klar. Und daraus resultiert wohl auch, was ebenfalls Schopen­hauer vor fast zwei Jahrhunderten feststellte:

Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt.

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Mir fehlt das Reisen. Weniger die Menschen, ich empfinde Einsamkeit nicht als negativ, eher als produktiv. Ich ziehe mich gerne zurück, auch über einen langen Zeitraum, und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Doch wenn ich jetzt am Schreibtisch sitze und über Texten brüte, dann überkommt mich immer häufiger das Gefühl, etwas zu vermissen.

In solchen Stunden träume ich mich auf eine italienische Piazza, auf der ich mich zu später Stunde zum Abendessen niederlasse. Dabei genieße ich nicht die Gesellschaft anderer, sondern die Klangkulisse, die Menschen verbreiten. Wenn um mich herum Gespräche in einer Sprache, die ich nur marginal verstehe, stattfinden, wird in mir daraus eine Symphonie an Klängen, aus der eine ganz bestimmte Atmosphäre entsteht.

Alpentourer Editorial 2004

Nur das Reisen, das Erleben, das Entdecken bietet uns Seelenfutter.

Etwa wenn in einem Café an der Jadranska Magistrale diese konsonantische Kakophonie anschwillt, die der kroatischen Sprache eigen ist. Oder wenn irgendwo im hohen Norden zwischen Smørrebrød und Rømmegrøt, also zwischen dänischer Stulle und norwegischem Nationalgericht, das Nordmannische gebrum­melt wird – dann weiß man, man ist fern der Heimat, aber dennoch im Wohlfühlmodus. Ist es nicht genau dieser Klangteppich, der uns fremde Länder zumindest fühlen, wenn nicht gar verstehen lässt?

Nun stelle ich mir die Frage, wann und ob überhaupt solche Erlebnisse wieder möglich werden. Natürlich kann eine Reise in deutsch­sprachigen Gefilden überaus schön sein, wie die Reportagen in dieser Ausgabe zwischen Nord­seestrand und Alpengipfeln belegen. Auf Dauer wird das aber meinem Entdeckergeist nicht genügen. Zu sehr brenne ich darauf, die vielen weißen Flecken, die selbst mir in Europa noch verblieben sind, mit Farbe, Phonetik und natürlich auch zwischenmenschlichen Erleb­nissen zu füllen, die ich nicht nur gerne mit euch teile, sondern die mich auch selbst mit Glücks­gefühlen beseelen, die mir niemand mehr nehmen kann.

Deshalb wünsche ich uns allen, dass uns bald wieder das Seelenfutter sättigen kann, das nur das Reisen, das Erleben, das Entdecken uns bietet.

We’ll ride again – ganz sicher! Bis dahin: Bleibt gesund!


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