
Bei einem Bildungsurlaub handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Extraurlaub für persönliche oder berufliche Weiterbildung – in vielen Bundesländern sind bis zu zehn Tage pro Jahr möglich. Das gilt auch für Seminare, bei denen das Motorradfahren mit Bildungsinhalten kombiniert wird. Die Gründerin von Motorradfahren bildet, Britta Graf, erklärt im Interview, wie ihr Konzept funktioniert und welchen konkreten Nutzen Teilnehmende davon haben.
Britta, Bildungsurlaub klingt zunächst so gar nicht nach Motorradreisen. Wie kam es also dazu, diese beiden Welten miteinander zu verbinden?

Britta Graf: Von 2012 bis 2018 habe ich den Bikerwirt im Harz geleitet. Dort erzählte mir ein guter Freund von der Möglichkeit des Bildungsurlaubs auf dem Motorrad. Seit 2010 arbeite ich in der Erwachsenenbildung. Es kam eins zum anderen, und das erste Seminar war 2015 ausgearbeitet.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Motorradfahren bildet?
Britta Graf: Jedes Bundesland hat eigene Voraussetzungen. Das Bildungsurlaubsgesetz ist Ländersache und damit individuell für jedes Bundesland auszuarbeiten. Die Verwirklichung ist ein fortwährender Prozess, da die Seminare immer wieder erneut anerkannt werden müssen.
Viele werden sich fragen: Wer darf denn nun teilnehmen und Bildungsurlaub beantragen – und wer nicht?
Britta Graf: Anspruch haben alle ArbeiterInnen, Angestellte und Auszubildende, wenn ihr Arbeitgeber in einem Bundesland ansässig ist, das Bildungsurlaub anerkennt. Wichtig für den Anspruch ist also nicht (unbedingt) der eigene Wohnsitz, sondern der Sitz des Arbeitgebers. Bundesbeamte haben ebenfalls Anspruch auf Bildungsurlaub. Dieser kann über die Bundeszentrale für politische Bildung abgedeckt werden. Auch in einigen Bundesländern haben deren Beamte Anspruch auf Bildungsurlaub. Dies ist zum Beispiel in Niedersachsen über die Sonderurlaubsverordnung möglich. In Sachsen und Bayern besteht kein Anspruch auf Bildungsurlaub.
Wer kann also konkret Bildungsurlaub bei euch machen?
Britta Graf: Alle Themen bei Motorradfahren bildet sind mittlerweile in Niedersachsen, Hessen und Hamburg anerkannt. Das gleiche gilt bis zu dieser Saison auch für Schleswig-Holstein. In Schleswig-Holstein besteht die Besonderheit, dass es keine Themen- sondern eine Terminanerkennung gibt. Das bedeutet, dass wir jeden Termin einzeln anerkennen lassen müssen. Daher können wir keine generellen Aussagen treffen, sondern können die Anerkennung für Schleswig-Holstein nur für jede Saison neu bestätigen, sobald uns die Anerkennung vorliegt.
Ähnlich verhält es sich mit Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Dort kann erst nach einer Terminanerkennung eine Themenanerkennung erfolgen. Aufgrund der steigenden Nachfrage aus Rheinland-Pfalz haben wir in den vergangen zwei Jahren auch verstärkt dort anerkennen lassen.
Neben dem Motorradfahren – was genau beinhaltet der Bildungsteil, zum Beispiel Theorie, Vorträge oder Workshops?
Britta Graf: Hintergrund des Bildungsurlaubs ist, dass jeder im Lernprozess bleibt, sein Allgemeinwissen vertieft und das eigenständige und reflektierte Bilden einer Meinung gefördert wird. Konkret bedeutet das, dass wir neben Vorträgen auch Workshops anbieten, in denen die Teilnehmer selber aktiv werden. Dies kann bei Motorradfahren bildet zum Beispiel in Form von Textarbeit und/oder Präsentationsausarbeitungen stattfinden.
Welche beruflichen Voraussetzungen oder Erfahrungen müssen die Dozentinnen und Dozenten bei Motorradfahren bildet mitbringen?
Britta Graf: Ohne Dozenten ist Bildungsurlaub nicht möglich. Unsere Mitarbeiter, die für die Ausarbeitung und die Betreuung des theoretischen Anteils unserer Seminare zuständig sind, müssen ein abgeschlossenes Studium vorweisen.
Für viele klingt die Kombination aus Motorradfahren und Bildung ungewöhnlich. Wie profitieren Teilnehmende davon – sowohl im Alltag als auch im Beruf?
Britta Graf: Sie bilden sich unter Gleichgesinnten in einem Thema, das sie interessiert, weiter. Sie wechseln die Perspektive, entdecken neue Denkansätze und verbinden dies mit dem Fahrerlebnis des Motorradfahrens. Das Lernen in der Bewegung hat einen anderen Nachhaltigkeitsfaktor als das statische Lernen. Persönlich wie auch beruflich kann es sehr bereichernd sein, wenn Teilnehmende diesen gezielt mit ihren Interessen verbinden.

Motorradfahren bildet – der etwas andere Motorradurlaub
Persönliche Vorteile sind zum Beispiel wie oben schon erwähnt die Verbindung von Leidenschaft und Lernen und/oder die Erholung mit Mehrwert. Bildungsurlaub ist weniger stressig als reguläre Arbeitstage, da Teilnehmende – wie oben erwähnt – in einem anderen Umfeld mit anderen Menschen lernen und dabei neue Energie tanken. Außerdem wird ihr Selbstbewusstsein gestärkt, wenn sie in ihre Bildung investieren. Eigenständig etwas Neues zu lernen, erhöht das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit. Berufliche Vorteile liegen zum einen in der Kompetenzerweiterung, wie Kommunikation, Stressmanagement, die Fähigkeit Perspektiven zu wechseln, die (Selbst-)Reflektion und das selbst- und eigenverantwortliche Handeln.
Arbeitgeber schätzen motivierte Mitarbeiter. Wer sich weiterbildet, zeigt Eigeninitiative. Eigeninitiative kann sich positiv auf die Karriere auswirken. Und zudem treffen in Bildungsurlauben unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Branchen aufeinander. Auch das kann jeden persönlich und beruflich weiterbringen.
Bildungsurlaub wie bei Motorradfahren bildet bedeutet für die Betriebe zusätzliche Fehlzeiten ihrer Arbeitnehmer. Daher ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass einige Bundesländer die Betriebe finanziell unterstützen, die ihren Mitarbeitenden Bildungsurlaub ermöglichen. Das ist zum Beispiel in Hessen für Kleinstbetriebe und in Rheinland-Pfalz für Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden möglich. Auch hier haben die einzelnen Bundesländer unterschiedliche Gesetze, daher ist es immer wichtig, individuell zu prüfen, was das Bundesland, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, anbietet.