Reportage: Triumph-Bogen

Triumph-Boxberg-2017

Einmal im Jahr lädt Triumph nach Boxberg auf das Bosch-Testgelände und präsentiert dort die aktuelle Modellpalette. Leserreporter Dieter Küfner, selbst Triumph-Treiber, unterzog etliche Modelle des 2017er Jahrgangs eines Kurztests. Hier ist sein Bericht – mit Fotos von Chris Rausch.

Triumph lebt viel von seiner Geschichte und dem Image, das sich daraus ergibt. Das zeigt auch ein Imagefilm, der die Markengeschichte von den Anfängen 1902 über die Hoch-Zeiten der 50er und 60er Jahre sowie das Produktionsende 1982 bis zum Neustart 1990 durch John Bloor umfasst.

Heute fertigt Triumph in vier Fabriken weltweit. Neben Hinckley gibt es Fertigungsstätten in Thailand, Indien und Brasilien. Triumph beschäftigt rund 6.000 Mitarbeiter und verkauft 60.000 Motorräder pro Jahr, die sich auf 27 Modelle verteilen. Der Fokus der Produktentwicklung liegt auf den drei Kategorien Classic Bikes, Adventure und Street Performance, alle mit dem Ziel das perfekte Fahrerlebnis zu vermitteln. Soweit zum Marketing.

Nach der Einteilung der Gruppen ging es hinaus zu den Motorrädern. Ich war für die Gruppe, die sich zunächst auf dem Testgelände bewegte, eingeteilt. Eine zweite Gruppe begab sich mit den Classic Bikes gleich auf Landstraßentour. Für das Testgelände standen uns die Bikes aus der Kategorie Adventure und Street Performance zur Verfügung. Wir wurden ermuntert so oft wie möglich zu tauschen, um möglichst alle Modelle mal zu fahren.

Mich hatte bei der Runderneuerung der Tiger 800 Modellpalette in 2015 die Vielfalt der Modelle verwirrt. Wie unterscheiden die sich? Die Antwort von Chief Engineer Stuart Wood war einfach: „Ziel von Triumph ist es dem Kunden die Option zu bieten sich bezüglich seines Budgets und dem Anspruch ans Fahren das passende Modell zu wählen. Daher unterscheiden sich diese Modelle im Wesentlichen nur in der Ausstattung.“ Aha…

Triumph-Boxberg-2017

Ich schnappte mir eine Tiger Sport 1050. Also etwas vertrautes. Privat fahre ich eine Tiger 800 XC, was für meine Anforderungen an Touren in Bezug auf Sitzposition, Komfort und Handling am besten geeignet scheint. Also raus auf die Piste, zunächst eine halbe Runde Hochgeschwindigskeitsoval, dann abbiegen in den Innenraum auf die große Fahrdynamik-Fläche. Der Parcours besteht aus einer halben Kreisbahn mit folgender Slalom-Strecke. Zurück geht es auf einer Geraden, auf der man auch ordentlich beschleunigen kann.

Nach einigen Runden der Eingewöhnung kam ich recht flott durch den Kurs. Die Tiger Sport lässt sich problemlos manövrieren und fühlt sich dabei handlich und leicht an. Der 1050er Triple ist aus meiner Sicht sowieso über jeden Zweifel erhaben und hat genug Kraftreserven für Alltag als auch auf Touren mit Gepäck. Preislich zwischen der Tiger 800 und den Explorer-Modellen angesiedelt bietet sie eine interessante Alternative zu den Abenteurern. Rundum erneuert und ausgestattet mit verstellbarer Scheibe, drei wählbaren Fahrmodi, Traktionskontrolle und ABS bleiben kaum Wünsche offen.

Am Stilfser Joch von Hohenlohe

Für den nächsten Fahrabschnitt wählte ich eine Speed Triple. Auf dem Testgelände gibt es auch eine nachgeahmte Bergstrecke mit einigen Serpentinen, das „Stilfser Joch“.

Die Sitzposition auf der Speed (und auch der Street) ist gar nicht so extrem wie ich befürchtet hatte. Überraschend handlich lässt sie sich über die Serpentinen bewegen und macht richtig Spaß. Ob ich damit auch auf große Tour gehen möchte? Ich denke nein. Voll dem Wind ausgesetzt und begrenzte Möglichkeiten fürs Gepäck schränken die Tourentauglichkeit ein. Aber wer will das schon mit einem Street Performance Bike.

Triumph-Boxberg-2017
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Dann war eine Street Triple S frei. Damit ging es auf den Handlingkurs. Ungewohnt für mich brauchte ich auch hier wieder einige Runden, um den Flow zu finden.

Nach einer kurzen Pause stieg ich auf eine Tiger Explorer XCa. Das ist die Variante mit der Vollausstattung. Auch hier sind verschieden Fahrmodi einstellbar. Stuart Wood zeigte mir noch kurz die Funktion des TSAS, das semi-aktive, elektronisch einstellbare Fahrwerk. Während der Fahrt einfach vom Lenker aus vom Komfort in den Sportmodus zu wechseln ist eine feine Sache. Mehrere Stufen sind möglich, und das lässt sich blitzschnell während der Fahrt erledigen.

Also gleich mal an der Station mit den schlechten Straßenverhältnissen ausprobiert. Und tatsächlich bügelt das Fahrwerk im Komfortmodus auch das übelste Pflaster glatt. Im Sportmodus taucht die Gabel beim Bremsen kaum ein und federt beim Beschleunigen auch nicht aus. Das Heck bleibt stabil. Vom Kardan spürt man nichts.

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Gespannt war ich allerdings als wir einen weiteren, mit Pylonen ausgesteckten Handling-Parcours befuhren. Eine längere Strecke mit anfangs weit auseinander stehenden Pylonen, die immer enger wurden. Die letzten konnten dann nur noch im ersten Gang und mit schleifender Kupplung umrundet werden. Wenn ich jetzt erwartet hatte, dass die schwere Explorer, trocken hat sie immerhin 257 Kilo, sich auch schwerer um die Ecken kurven lässt als eine kleine 800er, wurde ich positiv überrascht. Genauso handlich und leicht, so dass ich subjektiv keinen Unterschied feststellen konnte.

Das Handling ist somit kein Argument für das eine oder das andere Modell. Für die lange Tour bietet die Explorer mit der hohen, elektrisch verstellbaren Frontscheibe jedoch den deutlich besseren Windschutz im Vergleich zur 800er. Noch ein Wort zum Antrieb. Die neuen Modelle mit dem 1050er und dem 1200er Motor klingen besser, dumpfer, kräftiger als die alten und auch das bis dato charakteristische hohe Pfeifen scheint nicht mehr da zu sein.

Später hatte ich noch Gelegenheit mit der Street RS auf dem Hochgeschwindigkeits-Oval zu fahren. Am wohlsten fühlte ich mich jedoch hinter der Scheibe der Tiger Sport oder der Tiger Explorer. Geschwindigkeiten von 200 km/h fühlen sich dann nicht so extrem hart an. Egal welche Tiger man fährt, die Sport oder Explorer, beide bleiben auch bei hohen Geschwindigkeiten äußerst stabil. Das ist sicher auch dem 19 Zoll Vorderrad – gegenüber dem 21er meiner Tiger 800XC – zu verdanken.

Mein Fazit, egal für welches der Adventure Modelle man sich entscheidet, alle bieten ein handliches, stabiles Fahrwerk, unterscheiden sich nur in Motorleistung und Ausstattung. Somit kann man nach seinem persönlichen Budget und Anspruch ans Touren für das eine oder andere Modell entscheiden und macht damit sicher keinen Fehler.

Auf Tour mit den Classic-Modellen

Das Wetter hatte ja bis jetzt mitgespielt, so dass wir uns nach der Mittagspause auf eine wunderschöne Tour durch das Hohenloher Land machten. Es ging über über Jagst, Kocher und Tauber gut 100 Kilometer auf kleinen und kleinsten Landstraßen. Zwischendurch nutzen wir immer wieder die Möglichkeit die Bikes zu tauschen.

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Ich begann mit einer T120 Black Edition. Wie alle Modelle der Bonneville-Familie ist sie ein wunderschönes Motorrad. Nach außen bewahrt sie Stil und Tradition der ursprünglichen Bonnie, technisch ist sie aber auf dem neuesten Stand. Das betrifft sowohl Fahrwerk, Motorisierung, als auch Ausstattung. Alle Parallel-Twins sind rundum erneuert, haben jetzt Ride-by-Wire, je nach Modellvariante gibt es auch die Option verschiedene Fahrmodi einzustellen. Die Motoren verfügen über noch mehr Drehmoment im unteren im mittleren Bereich, also dort wo sie normalerweise bewegt werden. Und das zeigt mir die T120 dann auch.

Touren macht viel Spaß mit den einzelnen Varianten, der kleineren T100 oder auch der Street Scrambler, die meiner Vorliebe an eine aufrechte Sitzposition sehr entgegen kommt. Der Abstand zwischen Lenker und Oberkörper ist kürzer als auf einer Tiger, passt aber sehr gut, um einen intensiven Kontakt zu Motorrad und Straße herzustellen. Zum Schluss fahre ich noch eine Thruxton die eine extrem nach vorne gebeugte, rennmäßige Haltung verlangt. Auch die fühlt und hört sich toll an. Für die staunenden Passanten ist es sicher sehr imposant, wenn acht Bonnies durchs Dorf donnern.

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Es hat viel Spaß gemacht mit den Classic Bikes. Gut, auf große Tour würde ich damit nicht gehen wollen, aber für eine entspannte Sonntagnachmittag Tour sind sie perfekt.

Es ist schon spät als wir auf das Testgelände zurückkommen. Nachdem ich mich verabschiedet hatte und auf meine Tiger 800 stieg, hatte ich schon die Befürchtung, dass dieser Tag den Wunsch in mir nach einem der neuen Modelle erweckt hat. Sie hat mich auf der Heimfahrt mit dem tollen Motor und dem handlichen Fahrwerk vom Gegenteil überzeugt und gehört noch lange nicht zum „alten Eisen“. Die paar Kleinigkeiten wie der miese Windschutz oder der fehlende Hauptständer kann man ja notfalls nachrüsten.

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